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Einführung zum Buddhismus des östlichen Himalaja
Die Entwicklung verschiedener Lehrtraditionen | Der tibetische Buddhismus
Der historische Buddha und seine Lehre
Der Buddhismus geht auf den indischen Prinzen Siddhartha Gautama aus dem Geschlecht der Sakya zurück, der im 5. Jahrhundert vor Christus im heutigen Nepal das Licht der Welt erblickte.
Zunächst wuchs er wohlbehütet und abgeschirmt von der übrigen Welt im elterlichen Palast auf, hatte dann aber bereits in jungen Jahren ein tiefes Erweckungserlebnis, als er auf einer Ausfahrt das Leid in der Welt erblickte, von dem er bisher abgeschirmt worden war. Er erkannte, dass mit Unliebsamem verbunden und von Geliebten getrennt zu sein die ganze Existenz durchdringt, welche dadurch in ihrer Gesamtheit leidhaft wird. Zutiefst erschüttert liess er daraufhin Wohlstand, Palast und Königreich hinter sich und widmete sein Leben der Suche nach einem Weg, dieses Leid zu überwinden.
Nachdem er zunächst bei verschiedenen Lehrern gelernt und sich teils extremer Askese hingegeben hatte, fand er schliesslich die Befreiung. Und zwar indem er erkannte, dass alles was besteht, einschliesslich ihm selbst, in Abhängigkeit von Ursachen und Umständen entstanden ist. Aus dieser Erkenntnis leitete er die ‚zwölf Glieder des abhängigen Entstehens’ ab.
Fortan lehrte er einen ‚mittleren Weg’ zwischen allen Extremen in einem fast fünfzigjährigen Wanderleben durch ganz Indien.
Je nach Situation und geistiger Kapazität seiner Zuhörer hat er dabei verschiedene Lehrunterweisungen gegeben, die sich zum Teil zu widersprechen scheinen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es ihm vor allem darum ging zu vermitteln, wie dauerhaftes Glück erlangt werden kann, was er auf verschiedenste Weise tat. Metaphysische Spekulationen waren dem Buddha fremd. Er konzentrierte sich auf die vier philosophischen Grundfragen: Was ist Leid? Wie ist Leid strukturiert, was sind seine Ursachen? Gibt es eine Befreiung vom Leiden? Und was sind die Mittel (Pfade) um Leidfreiheit herbeizuführen? Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen, seiner ‚Erleuchtung’, konnte er die dritte Frage eindeutig mit ‚Ja’ beantworten, was zur Formulierung des ‚edlen achtfachen Pfades’ führte, aus dem sich später ein umfangreiches, psychologisches Lehr- und Meditationssystem entwickelte: Eine illusionslose Sicht auf die Welt, verbunden mit dem Entschluss, Handlungen zu unterlassen, die als Leidverursachend erkannt wurden; In der Rede und im Verhalten wahrhaftig zu sein, sich demgemäss zu verhalten und sich eine entsprechende Lebensführung anzueignen; Im Bemühen darin nicht nachzulassen und deshalb in allen Handlungen stets achtsam zu sein; Schliesslich das Ganze in der Meditation einzuüben.
Als grundlegende Ursache allen Leids sah der Buddha die Ignoranz an. Das nicht- wissen-wollen, dass alles was abhängig entstanden ist, einschliesslich der eigenen Person, ständiger Wandlung unterliegt und schliesslich vergeht. Dass alles, was von der ignoranten Sicht ‚befleckt’ ist, unweigerlich zu Leid führt. Weiter, dass alles Existierende leer von einem substanziellen Selbst ist, welches beständig, teilelos und unabhängig zu sein scheint. Und schliesslich und letztlich bedeutet Nirvana, welches die Überwindung der Ignoranz ist, Frieden.
Alle Buddhisten weltweit, ungeachtet aller Unterschiede, erkennen daher diese vier Grundsätze an. Und wer seine Zuflucht in den Buddha als Lehrer, seine Lehre und diejenigen nimmt, die dieser Lehre folgen, der ist ‚Buddhist’. Das heisst, er sucht seinen Schutz im Dharma, in der Wirklichkeit, indem er alle Illusion von sich weist.
Die Entwicklung verschiedener Lehrtraditionen
Nach dem Hinscheiden das Buddha wurden seine Lehrunterweisungen zunächst mündlich tradiert und schliesslich im sogenannten Palikanon schriftlich festgehalten. Im Laufe der Zeit bildeten sich unterschiedliche Interpretationslinien der Lehren, die grob in drei ,Fahrzeuge’ unterschieden werden: Kleines Fahrzeug (Hinayana), Grosses Fahrzeug (Mahayana) und Diamantenes Fahrzeug (Vajra- oder Tantrayana), wobei alle drei ‚Fahrzeuge’ auf unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ziel führen und im Kern gleichermassen auf den Buddha zurück gehen. Dabei ist ‚gross’ oder ‚klein’ keine Wertung, sondern bezieht sich allein auf die Motivation des Praktizierenden. Während der Hinayanapraktizierende vor allem die eigene Befreiung im Blick hat, möchte der Mahajanaübende alle anderen fühlenden Wesen befreien und der Übende des Vajrayana möchte dies so schnell wie möglich, weswegen er sich besonderer ‚magischer’ Rituale bedient.
Während das Hinayana fast nur noch in Thailand, Myanmar (Burma) und Sri Lanka praktiziert wird, findet sich das Mahayana in Vietnam, China, Japan und Korea.
Der tibetische Buddhismus
Allein in Tibet und dem Himalaja hat sich aufgrund der geographischen Abgeschiedenheit ein Buddhismus erhalten, der alle drei Fahrzeuge vereint: Die Mönchs- und Laienregeln stammen aus dem Kleinen Fahrzeug, die Philosophie, Psychologie und Motivation sind dem Grossen Fahrzeug entnommen und geübt wird vorwiegend das esoterische Diamantene Fahrzeug. Der Begriff ‚Lamaismus’ geht auf eine Fehlinterpretation der frühen westlichen Forscher zurück, da im tantrischen Buddhismus der Lehrer, tibetisch Lama, eine besonders wichtige Rolle spielt und daraus geschlossen wurde, der ‚Lamaismus’ sei eine eigene Religion und kein ‚echter’ Buddhismus.
Weiter bildeten sich in Tibet vier Schulrichtungen heraus, was mit der zeitlichen Übertragung des Buddhismus aus Indien zusammen hing: Die beiden alten Übersetzungstraditionen Nyingma und Kagyü sowie die neuen oder reformierten Traditionen Sakya und Gelug, die beide auf die vom indischen Mönchs-Gelehrten Atisha (958-1054) begründete Kadam-Tradition zurückgehen. Die Gelugpa-Schule ist in Tibet nicht nur staatstragend und stellt alle Dalai Lamas (eines politischen Amtes, das auf die Mongolenherrschaft im 16. Jahrhundert zurückgeht), sie legt aufgrund des Wirkens des herausragenden tibetischen Mönchsphilosophen Je Tsongkhapa (1357-1419) auch besonderes Gewicht auf das Studium, die Debattierkunst und die Einhaltung strikter monastischer Tradition.
Zusätzlich wird bis heute die ursprüngliche Schamanenkultur geübt, das Bön, welches historisch vor allem die beiden alten Übersetzungsschulen beeinflusste und seinerseits viele Komponenten des Buddhismus übernahm. Eine Besonderheit des Bön ist die im Westen immer populärer werdende Lehre des Dzogchen, die sie mit den buddhistischen Nyingmapa teilt. Die Ursprünge des Dzogchen, auch ‚Grosse Vollkommenheit’ genannt, verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Es vereint taoistische und chinesische Cha’an-Buddhistische Praktiken mit uralten schamanistischen Einflüssen und lehrt ein völlig konzeptfreies Gewahr-Sein (rigpa). Darin ist es am ehesten mit dem japanischen Za-Zen vergleichbar.